Es ist schon einige Jahre her, als Mieterinnen und Mieter der Häuser Lehrter Straße 1-4 und 70-75 versuchten den Verkauf ihrer 283 Wohnungen zu verhindern. Trotz aktivem Mieterbeirat hatten sie keine Chance! Es war die Zeit als Bestände landeseigener Wohnungsbaugesellschaften massenweise privatisiert und an internationale Fonds verscherbelt wurden. Die Häuser sind Anfang der 1970er Jahre im Sozialen Wohnungsbau errichtet worden. Sie gehörten der BEWOGE, die 1990 mit der WBM fusioniert wurde. Die Entscheidung zum Verkauf muss in den Jahren kurz nach der Jahrtausendwende gefallen sein. Zunächst wurden die Häuser an die IHZ verpachtet. Unbestätigte Gerüchte über Verkaufsabsichten an eine Hotelkette kamen 2004 auf. Bei vielen Mietern – etwa ein Drittel lebt schon sehr lange dort – ging die Angst vor Mietsteigerung oder sogar Abriss um. Eine Kleine Anfrage an das Abgeordnetenhaus brachte ein wenig Licht ins Dunkel. Schließlich wurde im Februar 2005 zu einer Mieterversammlung eingeladen, bei der über die Verkaufsabsichten informiert aber keine Namen genannt wurden. Es konnte erreicht werden, dass die Mieterschutzklauseln (Verbot von Luxusmodernisierung und Aufteilung in Wohneigentum) nicht nur für die Zeit von drei sondern von 10 Jahren vereinbart wurden. Die Mieter erhielten im September 2005 eine entsprechende Anlage zum Mietvertrag. Am 1. Oktober 2005 gingen die Häuser in den Besitz der „J. P. Residential V S.a.r.l.*“ über, verwaltet durch „Die Stellwerk Hausverwaltung GmbH“. Zwei Monate später wurden die Stellplätze auf dem Hof kostenpflichtig und die im Parkhaus teurer.
Dass das Parkhaus an der Ecke Lehrter / Invalidenstraße über kurz oder lang abgerissen und an dieser Stelle ein Hotel gebaut werden sollte, war klar. Ein entsprechender Bebauungsplan mit Kerngebietsausweisung war schon aufgestellt. Ende März 2008 wurde das Parkhaus dann entmietet. Davor war es noch monatelang Werbeträger für Riesenposter. Allerdings hatten die Mieter nichts davon, obwohl Einnahmen mit den Kosten verrechnet werden müssen. Die Werbeeinnahmen hätten also die Betriebskosten gemindert, doch war das zukünftige Hotelgrundstück vorher verkauft worden. Schon damals argwöhnten die Mieter, dass neuer und alter Eigentümer des Parkhauses eigentlich identisch sind. Die „J. P. Residential V S.à.r.l.“ gehört zu Jargonnant Partners, einem Private Equity Fund mit Sitz in Luxemburg, Genf und München, der auf der ganzen Welt investiert und den Anlegern hohe Renditen verspricht. Für jedes Objekt werden eigene Firmen gegründet, praktischerweise einfach durchnummeriert. Das Hotelgrundstück gehörte nun der „J. P. Commercial III S.à.r.l.“, die sich 2008 umbenannte und nun „MO Berlin HBF S.à.r.l.“ hieß. Das Motel One taucht hier abgekürzt im Namen auf. Gleichzeitig verlegte die Gesellschaft ihren Sitz in die 46A avenue John F. Kennedy in L-1855 Luxembourg.
2009 wurden in der Lehrter Straße weitere Häuser an einen luxemburgischen Investor verkauft. Es handelt sich um die Häuser Lehrter Straße 62-65, Lehrter Straße 56-56d und Kruppstraße 1. Verkäufer war diesmal keine landeseigene sondern eine bundeseigene Wohnungsbaugesellschaft: die Wohnbau GmbH, die pikanterweise einer öffentlichen Stiftung, der Stiftung Wohnhilfe, gehört. Neuer Eigentümer wurde die „MLAnna Real Estate S.e.c.s.“ ebenfalls mit Sitz in der 46A avenue John F. Kennedy in L-1855 Luxembourg. Spätestens dieser zweite Verkauf an luxemburger Investoren schreckte die Nachbarn auf. Einer von ihnen stellte umfangreiche Recherchen im Luxemburger Amtsblatt (Memorial) an und fand die oben bereits erwähnten Übereinstimmungen der Adressen von anscheinend völlig unabhängigen Grundstücken in der Lehrter Straße. Die „MLAnna Real Estate S.e.c.s.“ ist eine Tochtergesellschaft der amerikanischen Bank Merrill Lynch Luxembourg und der Colonia Real Estate AG mit Sitz in Köln. Auch in Mittenwald wurden Häuser der Wohnbau an diese Gesellschaft verkauft und energetisch saniert. Und zu guter letzt ist festzustellen, dass auch die Merrill Lynch German Hotel Investment Holdings S.à.r.l. in der 46A avenue John F. Kennedy in L-1855 Luxembourg sitzt.
Die Häuser Lehrter Straße 1-4 und 70-75, mit deren Verkauf dieser Artikel begonnen hat, gehören jetzt, nachdem die Felicity die Alleinkontrolle über die Firmen J.P. Resitdential I, II, III, V, und VI übernommen hatte, der „Ersten JP V Germalux Felicity GmbH & Co. KG“ und hier taucht nun auch eine Berliner Adresse auf: Einsteinufer 63 a in 10587 Berlin. Übrigens die gleiche Adresse wie die Projektentwicklungsgesellschaft für das Motel One die Benz Projektmanagement. Hier findet sich nun eigentlich kein Büro und keine Klingel aber ein Briefkasten mit Erster, Zweiter … usw. Germalux Felicity. Ein Schelm wer Böses denkt! Wie wird die Lehrter Straße in 20 Jahren aussehen? Vielleicht nur noch Hotels?
*S.à.r.l. = Société à responsabilité limitée entspricht dem deutschen GmbH = Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Als Nachtrag der Link zu einem Artikel im MieterEcho, der erklärt, warum so viele Immobilienfirmen Luxemburg als Sitz wählen.
Nachtrag 2014:
Die Häuser sind wieder weiterverkauft, bzw. die Gesellschaft, der sie gehört, siehe Kommentar Nr. 5: und zwar an die Immeo, die dann 2018 (Kommentar Nr. 9) zur Covivio wurde, die 2018/19 die Häuser wärmegedämmt hat.
In 28.000 Seiten Akten, den Luxemburg Leaks des Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ) – 80 Journalisten haben sich an den weltweiten Recherchen beteiligt- , sind genauere Einzelheiten des Lehrter Straßen Deals bekannt geworden. Die Häuser Lehrter Straße 1-4 und 70-75 wurden 2005 vom Land Berlin verkauft für 10,9 Millionen Euro und dann in ein Paket geschnürt von insgesamt 69 Häusern in verschiedenen Stadtteilen (210 Millionen Euro). 2008 kaufte ein Staatlicher Kanadischer Pensionsfond (PSPIB) sich für 260 Millionen Euro über komplizierte Beteiligungsstrukturen ein, die so gestrickt sind, dass der Stadt dadurch etwa 12 Millionen an Steuern verloren gehen. 2014 ist der Pensionsfond wieder ausgestiegen und hat dabei 70 Millionen Euro Gewinn gemacht, fast ohne Steuern zahlen zu müssen, in dem er an die Immeo und Deutsche Wohnen verkauft. Genaueres in der Süddeutschen, beim NDR, bei ICIJ und bei den Kanadischen CBC News. Und hier der Link zu den Dokumenten des Steuersparmodells von PricewaterhouseCoopers (auf Seite 11 findet man die Grafik der Firmenverschachtelung).
Wer sich hinter vielen Namen und Adressen versteckt hat offenbar viel zu verbergen! Was sind die wirklichen Pläne dieser Investment-Haie? Was wissen oder wußten die Verkäufer über diese letztendlichen Pläne? Wer profitiert davon? Sind mit den Verkäufen befasste Personen geschmiert worden? Wieviel Dummheit versammelt sich angesichts dieser ungebremsten Entwicklungen in den politischen Spitzen? Ist die Verwaltung und die Baubehörde blind und unfähig, oder spielt sie das Spiel mit und läßt die betroffenen Bürger_inn_en im Unklaren und mit den Folgen im Regen stehen?
Das sind nicht die einzigen Fragen, die sich aufwerfen. Mir scheint, hier ist ein Fall für Transparency International. In jedem Fall dürfen wir als engagierte Bürger diese Entwicklungen in unserem Kiez nicht einfach hinnehmen. Die Auswirkungen werden alle betreffen, die hier (noch!) wohnen und leben.
Offenbar haben schleichende Entwicklungen auf leisen Raubtiertatzen schon weit in Moabit Platz gegriffen. Was wir jetzt sehen, sind die Spitzen von gefährlichen Eisbergen, die lautlos auf Kollisionskurs mit unseren zentralen Lebensinteressen sind. Es ist höchste Zeit aufzuwachen!
Hier war bisher nur der Bericht der Berliner Woche zur Veranstaltung zu finden. Den ersten Bericht, der am 15. September erschienen ist und den Kommentar von Frau Wrobel, sowie die Ankündigung einer CDU-Umfrage zur Lehrter Straße ist jetzt unter folgenden Links zu finden:
https://wem-gehoert-moabit.de/wp-content/uploads/2010/10/Berl-Woche_10-09-15_WgM.jpg
https://wem-gehoert-moabit.de/wp-content/uploads/2010/10/Berl-Woche_10-09-15_WgM_Kommentar.jpg
Ein ausführlicher Artikel über die Verkäufe von Häusern der Lehrter Straße an Luxemburgische Investoren ist in der neuesten Ausgabe des MieterEchos erschienen und auch im Netz:
http://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2011/detailansicht/article/wohnen-naehe-hauptbahnhof.html
die neue Zitty zu Gentrification
http://www.zitty.de/gentrifizierung.html
Die Häuser in der Lehrter Straße 1-4 und 70-75 sind kürzlich von der „immeo“ gekauft worden, deren Häuser und Wohnanlagen in Mitte:
http://www.immeo.de/angebote/wohnen-in-berlin/mitte.html
Die Immeo ist aus dem Werkswohnungsbau bei Thyssen/Krupp durch Ausgliederung entstanden. Zitat aus der Webseite: „Die Immeo Immobilien-Gruppe gehört seit Dezember 2006 zur Foncière Développement Logements.
Foncière Développement Logements ist ein französischer, börsennotierter REIT (Real Estate Investment Trust), der die Anteile an der Immeo Immobilien-Gruppe hält.“
http://www.immeo.de/unternehmen/daten-und-fakten.html
http://www.immeo.de/fileadmin/user_upload/downloads/PDFs/Die_Entwicklung_der_Wohnungswirtschaft_19.02.2009.pdf
Und zur Info auch nochmal gleich ein Rundbrief der dortigen Mieterinitiative von 11/2013:
http://www.dielinke-essen.de/fileadmin/kvessen/Veranstaltungen%20Dritter/Wohnungspolitik/2013-11-28%20Immeo-Mieterinfo.pdf
Die Mieterinitiative ist morgen auch beim 1. Mieterinitiativentag Ruhr vertreten:
http://bahnhof-langendreer.de/wenn-mieter-sich-stark-machen.html
Mit den Luxemburg Leaks des Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten sind genauere Einzelheiten des Lehrter Straßen Deals bekannt geworden. Die Häuser Lehrter Straße 1-4 und 70-75 wurden 2005 vom Land Berlin verkauft, in einem Paket von insgesamt 69 Häusern in verschiedenen Stadtteilen für 210 Millionen Euro. 2008 kaufte ein Staatlicher Kanadischer Pensionsfond sich ein, der 2014 wieder ausgestiegen ist und dabei 70 Millionen Euro Gewinn gemacht hat, fast ohne Steuern zahlen zu müssen.
Genaueres in der Süddeutschen:
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/luxemburg-leaks-wie-ein-pensionsfonds-berliner-mieter-aufschreckt-1.2209887
im NDR:
http://www.ndr.de/nachrichten/Von-Ottawa-uebern-Wannsee,berlinlux100.html
bei Kanadischen CBC News:
http://www.cbc.ca/news/politics/federal-pension-board-used-offshore-scheme-to-skirt-foreign-taxes-1.2824959
und hier die Dokumente des Steuersparmodells von Price Waterhouse Coopers (auf Seite 11 findet man die Grafik der Firmenverschachtelung:
https://s3.amazonaws.com/s3.documentcloud.org/documents/1354551/pspib-luxembourg-tax-plan.pdf
Die Häuser Lehrter Straße 1-4 haben neue Eingangstüren bekommen und jetzt ist auch ein Schild von „Immeo“ außen angebracht. Aber so ganz weg von Luxemburg ist das ganze noch nicht. Die Informationszettel an den Türen sind unterschrieben mit „Immeo Wohnen Service GmbH im Auftrag der Immeo Berlin V S.a.r.l.“
Auch die ominöse „V“ von J.P. Residential bzw. Germalux ist noch da ???
https://moabit.crowdmap.com/reports/view/72
Die Häuser Lehrter Straße 62-65 sind wieder verkauft worden:
https://www.patrizia.ag/de/detail/pressemeldung/patrizia-uebernimmt-portfolio-mit-ueber-800-wohnungen-in-deutschland/
vielleicht auch die Krupp 1 + 1a und Lehrter 56. Man hört nichts gutes aus Bayern über diesen Investor:
https://moabit.crowdmap.com/reports/view/534
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchner-wohnungsmarkt-truegerische-ruhe-1.1415542
… und die Immeo (Lehrter 1-4 und 70-75) heißt jetzt Covivio:
http://www.covivio.immo/unternehmen/aus-immeo-und-fonciere-des-regions-wird-covivio.html
nicht mehr online, jetzt Historie:
https://www.covivio.immo/unternehmen/die-historie/
Die Häuser Lehrter Straße 62-65, Lehrter Straße 56-56d und Kruppstraße 1, die 2009 an den luxemburgischen Investor gingen und 2017 an die Patrizia sind seit etwa einem Jahr wider bei der BIMA, Bundesimmobilienmanagement. Denn nur die Häuser waren verkauft worden, sie standen auf Grundstücken, die in Erbpacht vergeben waren, die nach 99 Jahren 2024 ausgelaufen ist.
Mal sehen wie es weitergeht.
Viel investiert wurde in den vergangenen 15 Jahren nichts, nur einige Wohnungen bei Mieterwechsel saniert.