Bei herrlichem Wetter trafen sich am Sonntag ca. 30 Kiezbewohner*innen, Aktive des Runden Tischs gegen Gentrifizierung in Moabit und Aktivisten von „Hände weg vom Wedding“, die gemeinsam zu zwei Kiezspaziergängen in Moabit und Wedding eingeladen hatten. Der Kiezspaziergang „Ausgrenzung und Spekulation im Brunnenviertel“ findet am nächsten Sonntag, den 18. September 2016 ab 14 Uhr statt. Treffpunkt ist die Bushaltestelle des 247 am S+U-Bhf. Gesundbrunnen. Hier ist der Flyer herunterzuladen.
Treffpunkt für Moabit war die Zwinglistraße 36, wo eine Mieterin ausführlich über die Situation im Haus berichtete. Hier lief seit Herbst 2015 ein sogenannter „Mieterberater“ durchs Haus, um Mieter zum Auszug zu bewegen. Sein vehement vorgetragenes Statement: „Nach der Modernisierung können Sie sich die Mieten sowieso nicht mehr leisten“, führte dazu, dass aus dem Haus, in dem schon ein paar Wohnungen nicht mehr vermietet worden waren, weitere Mietparteien das Weite suchten. Der Artikel im MieterMagazin 4/2016, aus dem dieses Zitat stammt, ist Online nicht mehr zugänglich, weil der Eigentümer rechtliche Schritte gegen den Berliner Mieterverein eingeleitet hat. Im Artikel stand, dass die Mieter noch nicht einmal Modernisierungsankündigungen bekommen hätten, und es auch noch keine sanierungsrechtliche Genehmigung für die angekündigten Maßnahmen gäbe. Doch lag später, nach Erscheinen des Heftes, beides vor.
Das Haus soll umfassend modernisiert werden: Fassade gedämmt, Dach ausgebaut, Aufzug einbaut, Zentralheizung mit Fernwärme eingebaut, Stränge saniert, Fenster erneuert, Hof neu gestaltet werden. Die Mieterin, die seit ihrer Geburt im Haus lebt, hatte vor Jahren selbst ihre Wohnung modernisiert und sich auch ein neues Badezimmer eingebaut. Der sehr persönliche Text auf der von ihr gestalteten Ausstellungstafel „Kämpfende Hütten“, die der Runde Tisch für knapp 2 Wochen im Mai nach Moabit geholt hatte, ist hier zu lesen. Weil das Haus im Sanierungsgebiet Turmstraße liegt, muss ein Sozialplan erstellt werden, der auch Umsetzungswohnungen während der Bauzeit und Umzugskosten beinhaltet. Dieses Geld wird vom Land Berlin gezahlt, ebenso die Kosten für die Mieterberatung, die durch die ASUM erfolgt. Das hilft zwar den Mietern, aber es ist auf der anderen Seite auch eine direkte Subvention für die Immobilienfirmen, wie kritisiert wurde.
Wie sieht die Situation im Haus jetzt vier Monate später aus? Die Bauarbeiten haben begonnen und weitere Mieter sind ausgezogen. Im Vorderhaus sind nur noch drei Wohnungen bewohnt, auch im Hinterhaus gibt es nur noch ganz wenige Mieter. Viele haben sich durch die angekündigten hohen Modernisierungsumlagen erschrecken lassen. Die Mieterin steht immer noch in Verhandlungen mit der Hausverwaltung Helvetica Services GmbH. U.a. will sie erreichen, dass ihr selbst modernisiertes Badezimmer nicht herausgerissen wird. Sie wird in Kürze in eine Umsetzwohnung in der Berlichingenstraße ziehen, will aber auf alle Fälle zurückkommen. Ob andere Mieter, die noch in Ofenheizungswohnungen leben, sich die Miete nach Modernisierung noch leisten können, ist unwahrscheinlich.
Aus dem Nebenhaus haben sich einige Mieterinnen eingefunden, die über die Situation in der Zwinglistraße 35 berichten. Sie haben nur einen befristeten Mietvertrag und zahlen schon 10 Euro netto-kalt. Angeblich soll das Haus saniert werden, womit die Befristung begründet wurde. Wollen sie wohnen bleiben, sollen sie einen Staffelmietvertrag, der horrende Steigerungen beinhaltet, unterschreiben. Im Haus gibt es einige Wohnungen, die überbelegt sind. Aus der Zwinglistraße 36 gibt es dazu kritische Nachfragen, die insbesondere Sperrmüll betreffen, der sich im Hof stapelt sowie vor den Häusern auf dem Gehweg und auf dem gegenüberliegenden Zick-Zack-Zwingli-Spielplatz, der zur Zeit wegen Rattenbekämpfung gesperrt ist.
Nach einigen Nachfragen und Tipps geht es weiter zur Beusselstraße 8a + b. Hier berichtet ein Mitglied des Runden Tischs gegen Gentrifizierung, da bisher noch keine Mieter mit uns Kontakt aufgenommen hatten. Wir hatten bereits vor Monaten unser Flugblatt mit ersten Tipps gegen Spekulanten in die Briefkästen verteilt, nachdem wir erfahren hatten, dass das Haus Ende 2014 von der city home immobilien an Berlin Aspire Real Estate verkauft worden ist. Ein Zeitstrahl auf deren Webseite von 2011 – 2014 listet die Beusselstraße 8a + b als 22. Haus in Berlin auf. Das Geschäftsmodell dieser Firma, das in Moabit bereits in der Oldenburger Straße 28, der Huttenstraße 71 und der Stephanstraße 52 verfolgt wird, beinhaltet die Umwandlung der Wohnungen in Eigentumswohnungen, deren Verkauf an ausländische Kleinanleger, die sich in der Regel mit deutschen Mietgesetzen nicht auskennen und denen hohe Renditeversprechen gemacht werden. Außerdem wurden viele Wohnungen als Ferienwohnungen vermietet. Seitdem die Zweckentfremdungsverbotsverordnung in Kraft ist, werden sie als möblierte Appartements vermietet.
Auch Gespräche von Mietern eines benachbarten Hauses mit den gleichen Besitzern und Vorbesitzern im Hausflur der Beussel 8a+b konnten leider niemanden veranlassen Kontakt aufzunehmen. Es stellte sich aber heraus, dass mindestens eine Mieterin wegen eines eher geringfügigen Fehlers in ihrer Mietüberweisung bereits gekündigt wurde. Zufällig kam während des Kiezspaziergangs ein Mieter aus dem Hinterhaus vorbei, der uns berichtete, dass seine Wohnung bereits verkauft worden sei und ein Besuch der Hausverwaltung BEARM, die in verschiedenen Blogs betroffener Häuser keinen guten Ruf genießt, zusammen mit den neuen Eigentümerinnen in seiner Wohnung stattgefunden habe. Er sei angesichts der hohen Mieten neu vermieteter Wohnungen in der Umgebung sehr froh, dass er nicht ausziehen müsse, sondern weiter dort wohnen bleiben könne. Von den 10 Jahren Schutz vor Eigenbedarfskündigung nach Umwandlung in Eigentum hatte er offensichtlich noch nichts gehört. Außerdem berichtete er, dass das Beussel-Stübchen, eine alteingesessene Kneipe im Haus, eine so hohe Mieterhöhung erhalten habe, dass sie nicht dort bleiben könne.
Weiter ging es um die Ecke zur Huttenstraße 71 , … Fortsetzung folgt ….
… schade, dass die Fortsetzung noch nicht da ist, aber hier mal ein ausführlicher Bericht über das stadtpolitische Hearing am 2. November im nd:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1030939.volle-huette-beim-mietertreff.html
und hier auch noch:
http://berliner-gartentisch.net/Demos/Wohnungspolitisches_Hearing_2016.html
Wer beim stadtpolitischen Hearing nicht dabei war, kann sich hier das Video anschauen:
http://zweischritte.berlin/post/152895827903/sich-geh%C3%B6r-verschaffen