Nov 152016
 

…. Fortsetzung von Teil 1

Anfang September besuchten wir mit dem Kiezspaziergang des Runden Tischs gegen Gentrifizierung von Mietsteigerung und Verdrängung bedrohte Häuser in Moabit West. Betroffene Mieter*innen berichteten. Nach der Zwinglistraße 36 und 35 und der Beusselstraße 8a+b ging es weiter in die Huttenstraße 71. Von dort wurden wir ein paar Häuser weiter geführt und über Megafon hörten wir diesen Beitrag :

„Das Haus in der Huttenstraße 71 wurde von der Berlin Aspire, der in Berlin mittlerweile 27 Häuser gehören, unter dem Namen „Hope Residential“ gekauft. Es hatte zuvor Niko Wollenberg, Hausverwaltung city home, gehört und davor einer Erbengemeinschaft.
Das Konzept der Berlin Aspire ist, die Wohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln und als Ferienwohnungen zu vermieten. Den Käufer*innen, die hauptsächlich in Israel wohnen und die Wohnungen meist nicht vor dem Kauf besichtigen, wird die Huttenstraße im Internet als ein Ort zwischen dem Schloss Charlottenburg und dem Hauptbahnhof angepriesen. Es werden nette Jugendstil-Details aufpoliert und in Großaufnahme gezeigt, aber natürlich nicht die riesigen Wasserflecken, wo es durch’s Dach regnet. Und natürlich findet man dort auch kein Wort darüber, dass hier Erdgeschosswohnungen bei Starkregen schon oft „abgesoffen“ sind, weil es kein Ventil gibt, dass verhindert, dass Wasser aus der Kanalisation in die Toiletten zurück fließt. Auch über das deutsche Mietrecht, dass es verbietet, Mieter einfach wegzuschicken, wenn man die Wohnung anderweitig nutzen möchte, wissen die Käufer*innen vermutlich nichts.
Wir haben noch keine aktuellen Modernisierungsankündigungen, aber es gibt bereits eine Baugenehmigung für Balkone, einen Fahrstuhl am Vorderhaus und den Dachausbau. Die meisten gängigen Modernisierungsmaßnahmen erfordern keine Baugenehmigung. Sie kommen dann vermutlich noch dazu.
Seit April 2016 wurden so 16 der vermieteten Wohnungen verkauft. Ca. 11 der vermieteten Wohnungen sind unseres Wissens noch nicht verkauft. 14 Wohnungen wurden zu Ferienwohnungen umgebaut. Trotz der Zweckentfremdungsverbotsverordnung gehen der Umbau und die „Kurzzeit-Vermietungen“ von „möblierten Wohnungen“ weiter. Mit anderen Worten: Die Zweckentfremdungsverbots-Verordnung greift nicht bzw. wird unterlaufen.
Eine kleine Wohnung, die an Altmieter*innen mit Ofenheizung und auch sonst als „Substandard-Wohnung“ vermietet wird, bringt jetzt ca. 230 € Miete. Zur Ferienwohnung umgebaut bringt dieselbe Wohnung ca. 1200-1300 € im Monat, wenn sie vermietet wird. Darin liegt die Erklärung, weshalb das Zweckentfremdungsverbot nicht greift. Dazu ein Zitat:
Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man es überall anwenden; zwanzig Prozent, es wird lebhaft; fünfzig Prozent, positiv und waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300%, und es existiert kein Verbrechen, dass es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.“ (T. J. Dunning, zit. nach: „Das Kapital“ von Karl Marx)
1200 € ist mehr als 500 Prozent von 230 €. So etwas nennt man auch „Ertragslücke“.“

Diese klare Analyse kam sehr beeindruckend rüber. Über die Vermietung von möblierten Apartements bei Berlin Aspire und die Schwierigkeit der Abgrenzung zu Ferienwohnungen hatte das MieterEcho bereits im August berichtet.

Von der Huttenstraße ging es weiter in die Rostocker Straße. Im Haus mit der Nr. 17 drängten wir uns in den mit Baumaterialien bis auf einen schmalen Durchgang zugestellten Hauseingang. Im Hof steht ein riesiger Kran und auf der Straße ist ein weiteres Materiallager und Container. Im Hinterhaus ist eine Telefonleitung mit rosa Zetteln gekennzeichnet. Offensichtlich wurden den Mietern diese – möglicherweise versehentlich – gekappt! Der Bericht eines der letzten Alt-Mieter zeigt die ganze Brutalität der Verdrängung.

… Fortsetzung folgt!

  10 Responses to “Das war unser Kiezspaziergang „Verdrängung und Mietsteigerung in Moabit West“, Teil 2”

  1. Es sollte ein Recht auf Wohnen geben – Bsp. eines Neuköllner Aktivisten:
    http://www.taz.de/Gentrifizierung-in-Berlin/!5357616/

  2. Danke Enwohnter (?), Entwohnter,
    das ist eine neue Masche, die wir auch schon hier in Moabit beobachten und in diesem Artikel auch erwähnt wird – Wohnungen nur noch möbliert auf Zeit zu vermieten. Allerdings sind bei den Angeboten, die bei zeit-raum zur Zeit im Netz sind, keine Moabiter dabei und wir sind mit unseren Aktivitäten (aus Kapazitätsgründen) lokal engagiert.
    Wir werden diese Liste an den Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung schicken, der auf der Milieuschutzveranstaltung letzte Woche versprochen hat, um diese Problematik zu kümmern.
    http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/verordnungsmieten.html

  3. Zeitraum ist bei einer der Wohnungen als Makler über ein Jahr lang mit Kaufinteressenten durch die Wohnung gelaufen, ohne das es zum Verkauf kam. Es kam zu einer Auseinandersetzung des Mieters mit dem Eigentümer und darauf hin zu einem Räumungstitel. Jetzt vermietet Zeitraum die Wohnung zum doppelten Preis. Dem Entwohnten kam die Justiz vor wie gekauft.

  4. Schade, dass der Bericht nicht weitergeführt wurde. Einer der letzten Alt-Bewohner des Hauses Rostocker Straße 17 hatte berichtet, wie es sich mit Bauarbeiten in Haus und Dach, herunterfallenden Steinen und vielen anderen Unannehmlichkeiten lebt. Dabei kam eine junge Familie, die eine der Wohnungen gekauft hatte, die Treppe herunter und wollte ausdrücklich nicht als Gentrifizierer behandelt werden….
    Das sind natürlich die Eigentümer, die dazu beitragen, dass die Leute verdrängt werden und die Methoden sind wohl rabiater und massiv geworden …

  5. Echt krass! es gibt eben doch genügend Leute mit viel Geld!

  6. Es ist einfach unglaublich, wie hier Geld gemacht wird. Eine 2-Zimmer-Whg. mit 54 Quadratmetern in der Seydlitzstraße bringt 1650 Euro im Monat! Wer mietet denn sowas?
    https://www.farawayhome.de/homes/1915
    Zur Zeit zum Glück die einzige Wohnung in Moabit, die dem normalen Wohnungsmarkt auf diese Weise entzogen wird. Dafür nicht weit weg, in Mitte Chausseestraße oder Charlottenburg ….

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