Jan 242021
 

Geschichte einer Mietpreisbremse in Berlin-Moabit (nicht zu verwechseln mit dem Mietendeckel)

Ich bin im Juli 2018 in meine Wohnung in Berlin-Moabit eingezogen. Im Herbst 2019 fing ich an, mich mit der Thematik der Miethöhe intensiv zu beschäftigen und stellte fest, ich bezahle zu viel. Ob die Miethöhe gerechtfertigt ist, kann allerdings erst beurteilt werden, wenn die Miete des Vormieters und die evtl. erfolgten Modernisierungsarbeiten bekannt sind.

Zwischen Oktober 2019 und Januar 2020 habe ich insgesamt fünf Anfragen dazu an unsere Hausverwaltung gestellt bzw. durch eine Anwältin eines kleinen Mieterschutzvereines, bei dem ich Mitglied war, stellen lassen. Ich bezog mich dabei auf das Mietpreisbremse-Gesetz (Mietpreisüberhöhung gemäß § 556 d Absatz 1 BGB), das für Neuvermietungen ab dem 1.6.2015 gilt. Ich erhielt keine Auskunft und keine Angabe zu den beiden Themen.

Anfang 2020 war ich in Sprechstunden zum Mietrecht im Stadtschloss Moabit und beim Runden Tisch gegen Gentrifizierung in Moabit und habe mich in der Nachbarschaft umgehört, um Erfahrungen anderer Menschen zur Mietpreisbremse zu sammeln. Viele sprachen vom Mietendeckel und meinten, ich solle einfach bis zum Inkrafttreten des Gesetzes warten. Was viele nicht wissen, ist, dass der Mietendeckel und die Mietpreisbremse zwei verschiedene Gesetze sind. In einer Sitzung des Runden Tisches haben mir Teilnehmer*innen Mut gemacht und den Berliner Mieterverein und die Berliner Mietergemeinschaft als gute Anlaufstellen empfohlen.

Im März 2020 habe ich zusätzlich eine qualifizierte Rüge gestellt. Leider hatte ich erst so spät erfahren, dass im Falle eines Prozesses ein Schreiben dieses Inhalts mit der Auskunftsfrist darin zählen würde. Die erste Anwältin hatte es mir nicht erklärt. Auch meine qualifizierte Rüge ist unbeantwortet geblieben. Ende April 2020 habe ich mithilfe eines anderen Rechtsanwalts, der sich definitiv im Mietrecht auskannte, die Klage eingereicht. Danach wurde es interessant: Die Anwälte des Vermieters versuchten, verschiedene Gründe zu nennen, warum die Auskunft nicht möglich gewesen sei. Sie versuchten, die Rechtmäßigkeit der Klage anzufechten und deuteten gleichzeitig an, dass es „eine relevante Vormiete“ gegeben habe.

Im November 2020 hat die Gerichtsverhandlung stattgefunden, bei der nun zum ersten Mal die Belege zur „relevanten Vormiete“ vorgelegt wurden. Beide Seiten haben die Höhe der Vormiete anerkannt. Auch wenn sie – nach dem Mietspiegel – bereits überhöht war, gilt sie als rechtmäßig, da vom Vormieter akzeptiert. Der Richter hat sehr freundlich und bestimmt darauf hingewiesen, dass die Gerichtskosten von der Vermieterseite übernommen werden sollten, da sie die Auskunft nachgewiesenermaßen über Monate hinweg verweigert hatte. Die Gerechtigkeit dieses Vorschlags hat der Anwalt der Gegenseite vehement angezweifelt. Im Dezember 2020 habe ich den Beschluss des Gerichts erhalten, dass die Miete bis auf die Höhe der Vormiete abgesenkt werden muss und dass die Gerichtskosten beim Vermieter liegen. Die Gegenseite hat Beschwerde gegen die Übernahme der Gerichtskosten eingelegt. Das ist der aktuelle Stand (Jan 2021).

Zu den Mietpreisen: Vermietet wurde die Wohnung zum Preis von 11 €/m2, laut Mietspiegel beträgt der Preis 6,50 €/m2, aufgrund von Vormiete besteht jetzt der Preis von 7,80 €/m2 (alles Kaltmiete).

Vor einem Jahr war ich noch unsicher, ob ich es durchziehen soll, weil ich keinen geeigneten Mietrechtsschutz hatte. Nach gründlichem Überlegen habe ich mich dafür entschieden. Ich bin der Berliner Mietergemeinschaft beigetreten und habe dort einen guten Rechtsanwalt gefunden. Der Rechtsschutz griff allerdings noch nicht, da der Fall schon davor angefangen hatte. Nichtsdestotrotz finde ich es richtig, gegen die ungerechte Miete vorzugehen, da es nicht nur meine private Angelegenheit ist. Es beeinflusst die Preise im Bezirk und in der Stadt. Auch den Menschen, die nach mir in die Wohnung einziehen, wird es finanziell gut tun.

Die Mieter*in (Kontakt über die Initiative „Wem gehört Moabit?“: kontakt@wem-gehoert-moabit.de)

Information:
Die Gesetze für Mietpreisbremse und Mietendeckel sind voneinander unabhängig, deshalb kann auch bei einer Klage wegen Mietpreisbremse nicht die Höchstmiete des Mietendeckels zugrunde gelegt werden. Die Mietpreisbremse ist rechtssicher. Sie wurde für Berlin bis 31.5.2025 verlängert und gilt für Mieter*innen, die ab dem 1.6.2015 neu in eine Wohnung eingezogen sind und es gelten Neuregelungen für Mietvertragsabschlüsse nach dem 1.1.2019 und dem 1.4.2020.
Das Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des Mietendeckels wird Mitte 2021 erwartet.

Auf dieser Webseite des Bezirksamts Mitte sind alle Formulare und Informationen zur Festellung und Durchsetzung der zulässigen Miethöhe nach dem Mietendeckel.

Nachtrag Januar 2022:

In der Gerichtssitzung im November 2020 konnten sich beide Seiten über die Höhe der Miete (=Vormiete) einigen. Allerdings war die Vermietervertretung mit der Zahlung von Gerichtsgebühren nicht einverstanden und bestritt die Richtigkeit des Streitwerts (von dem die Gerichtsgebühren abhängen). Eine Streitwertbeschwerde beim Amtsgericht sowie beim Landgericht wurde zurückgewiesen. Im März 2021 konnte ich endlich Fazit ziehen: Meine Miete wurde von 11€/qm auf 7,20€/qm abgesenkt, d.h. bis zur Höhe der Vormiete. Die Rückerstattung der überhöhten Miete bekam ich für die Zeit ab der genannten Frist in der qualifizierten Rüge. Dafür war die Rüge wichtig. Aufgrund der ersten inkompetenten Beratung  in einem kleinen Mieterschutzverein im Herbst 2019 habe ich ein halbes Jahr Zeit verloren, in dem ich monatlich hätte deutlich weniger Miete zahlen können. Dennoch bin ich letztendlich sehr froh, dass ich den richtigen Weg über den Runden Tisch und die Berliner Mietergemeinschaft gefunden habe, auch dass ich keine ungerechte Miete mehr zahle und es meinen Nachmieter*innen ermögliche, eine bezahlbare Wohnung zu haben.
Ich kann Allen, die nach dem 1. Juni 2015 einen Mietvertrag abgeschlossen haben, sehr empfehlen, ihren Fall im Berliner Mieterverein oder in der Berliner Mietergemeinschaft dahingehend überprüfen zu lassen, ob die Mietpreisbremse wirkt. Für mich hat sie gewirkt.

  7 Responses to “Geschichte einer Mietpreisbremse in Berlin-Moabit”

  1. Eine Untersuchung zur Mietpreisbremse in verschiedenen Städten, mögliche Ersparnis (nur Durchschnitt), Prozentzahl der überhöht angebotenen Wohnungen usw.:
    https://www.conny.legal/miete/mietpreisbremse/staedteranking2021?utm_source=wenigermiete&utm_medium=email&utm_campaign=newsletter=ranking

  2. Dieser Artikel ist schon von Sept. 21. Er beschreibt den Inhalt einer Studie des Stadtsoziologen Andrej Holm und des Mietrechtsfachanwalts Benjamin Raabe, die im Auftrag der Linksfraktion im Bundestag und der Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellt wurde und viele Vorschläge gemacht hat, wie Gesetze geändert werden sollten – und das auf verfassungsrechtlich einwandfreie Weise. Da geht es um örtlich differenzierte Regelungen je nach Gebieten mit ausgeglichenem oder angespanntem Wohnungsmarkt oder als dritte Stufe Wohnungsnotgebieten, auch auf den zurzeit wirkungslosen Wucherparagraphen wird eingegangen:
    https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2021/me-single/article/vorstoss-fuer-bundesweiten-mietendeckel/

  3. Beachtet meinen Nachtrag am Ende des Artikels. Ich bin froh, dass ich meine Miete senken konnte, wenn auch nicht auf das nach Mietspiegel eigentlich gültige Niveau, da schon mein Vormieter eine überhöhte Miete akzeptiert hatte und diese laut Gesetz weiter gültig bleibt.

  4. Hallo,
    ich verklage gerade auch meinen Vermieter wegen der Mietpreisbremse (im Wedding). Mein Vermieter beruft sich auch auf die Vormiete. Die Ausnahme greift aber nicht, da der Vormietvertrag vom Jahr 2016 ist, ziemlich genau ein Jahr nach Inkrafttreten der Mietpreisbremse. Die Ausnahme der Vormieter greift nur, wenn die Vormiete vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse vereinbart wurde (also vor Juni oder Juli 2015) – so zumindest das Amtsgericht Charlottenburg und die juristische Kommentarliteratur.

    Mich interessiert sehr, aus welchem Jahr der Vormietvertrag in deinem Fall war. Vielleicht hilft dir mein Fall ja sogar weiter – denn auch Richter können sich irren.

    Viele Grüße!!

  5. Hallo Tom,
    ein sehr interessanter Kommentar. Läuft dein Prozess noch oder liegt dir die Entscheidung des Amtsgerichts bereits vor? Meines Wissens ist das Datum des Vormietvertrags irrelevant. Relevant ist lediglich wann du eingezogen bist. Berichte gern mehr, wenn der Prozess abgeschlossen ist.
    Der Vormietvertrag war wie bei dir aus dem Jahr 2016. Ich werde hochwahrscheinlich nicht nochmal denselben Prozess ankurbeln, da es lang genug war und nicht die einzige Baustelle mit meinem Vermieter ist.
    Viele Grüße und viel Erfolg!

  6. Vielen Dank! Der Prozess ist im Oktober!

    Dein Prozess ist wirklich interessant, weil die Rechtsansicht des Richters vollkommen im Widerspruch zur Kommentarliteratur und der sonstigen Rechtsprechung steht, hier mal ein Auszug des Urteils vom AG Charlottenburg vom 30.01.2019 (https://www.berliner-mieterverein.de/recht/mieturteile/mietpreisbremse-9.htm):

    „Weiter ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht die Ausnahme des § 556 e Abs. 1 BGB gegeben, so dass die zulässige Miete auch nicht 470,- € beträgt. Denn unstreitig wurde dieses Mietverhältnis auch erst nach Geltung des Mietrechtsnovellierungsgesetzes (sog. Mietpreisbremse) begründet, so dass die dort vereinbarte Miete ebenfalls gegen § 556 d BGB verstieß und von dem vorherigen Mieter daher nicht i.S.d. § 556 e BGB geschuldet war (vgl. BT-Drs. 18/3121 Seite 30, zitiert nach juris).“

    Das heißt konkret: Wenn der Vormietvertrag erst nach Inkrafttreten der Mietpreisbremse zustande gekommen ist und die dort vereinbarte Miete auch schon einen Verstoß gegen § 556d Abs. 1 (Mietpreisbremse) darstellte, kann sich der Vermieter nicht auf die Vormiete. Macht auch vollkommen Sinn, denn der Vermieter wird nun dafür belohnt, dass er bereits im Jahr 2016 gegen das Gesetz verstoßen hat? Das AG Charlottenburg beruft sich in seinem Begründung auf die Gesetzesbegründung des Bundestages, da steht es genauso drin.

    Auch der Punkt mit den 12 Monaten hat keinerlei Grundlage im Gesetz. Im Gegenteil: Gemäß § 556g Abs. 2 S. 3 BGB kann ein Mieter zu viel gezahlte Miete sogar für die ersten 30 Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückverlangen.

    Trotzdem beunruhigt mich dein Fall nun natürlich ein wenig. Aber mal schauen!

    Viele Grüße!

  7. Korrektur: ich meine natürlich für die ersten 30 Monate des Mietverhältnisses!

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