Sieg der letzten Mietpartei in der Calvinstraße 21 gegen die Vermieterin, die Terrial Stadtentwicklung GmbH – Kündigung des Mietverhältnisses wegen Äußerungen gegenüber der Presse ist unbegründet
Bei der heutigen vor dem Amtsgericht Mitte stattgefundenen mündlichen Verhandlung über die Wirksamkeit der gegen die letzte Mietpartei der Calvinstraße 21 ausgesprochenen fristlosen Kündigung erklärte Richterin Hennicke, dass die Räumungsklage nicht begründet sei. Alle Äußerungen der Mieter und ihres Anwaltes gegenüber der RBB-Abendschau und Spiegel TV bewertete die Richterin einerseits als eindeutig zulässige Meinungsäußerungen und anderseits als bewiesene Tatsachenbehauptungen.
Die Vermieterin hatte in der fristlosen Kündigungserklärung ausgeführt, dass die in den Fernsehbeiträgen von den Mietern aufgestellte Behauptung, die auf dem Hausgrundstück Calvinstraße 21 im April 2020 begonnenen Bauarbeiten würden bewusst eingesetzt, um in der Pandemie-Phase Druck auf die Mieter auszuüben, eine schwerwiegende Vertragsverletzung sei. Damit werde die Vermieterin in ein schlechtes Licht gerückt. Auch sei der Hinweis in den Fernsehbeiträgen auf die unterlassene Fahrstuhlreparatur eine wahrheitswidrige Tatsachenbehauptung, die geeignet sei, die Vermieterin in ihrer Ehre beziehungsweise Reputation zu schädigen.
Die Bauarbeiten im Haus mit extremer Lärm- und Staubentwicklung wegen Entkernung hatten ohne eine erneute Modernisierungsankündigung im April 2020 begonnen. Alle zuvor an die Mieter gerichteten Ankündigungen waren von allen damit befassten Gerichten als unwirksam beurteilt worden, so dass die Mieter*innen diese Maßnahmen auch nicht zu dulden hatten.
Eine neue Ankündigung wurde erst im Juni 2020 in der Räumungsklage nachgeschoben. Die einzige Tatsachenbehauptung in den TV-Beiträgen entspräche der Wahrheit, nämlich, dass der Fahrstuhl seit Herbst 2019 nicht funktionsfähig sei und bis heute auch nicht repariert sei.
Außerdem könne die Äußerung des Mieteranwalts Christoph Müller gegenüber der Presse selbstverständlich nicht als Vertragsverletzung der vertretenen Mieter*innen gewertet werden.
Roman und Hanna Czapara sind die letzte Mietpartei, die in der Calvinstraße 21 ausharren und die nervenaufreibende heiße Bauphase durchgehalten haben. Die anderen drei Mietparteien, eine davon eine über 90jährige Mieterin, hatten letztendlich Umsetzwohnungen akzeptiert. Das Haus soll um zwei Etagen aufgestockt werden, dazu müssen die Fundamente des Baus aus den 1960er Jahren verstärkt werden. Bereits seit 12 Jahren dauert der Streit zwischen Vermieter und Mieter*innen an. Das heutige Verfahren war nach Darstellung der Eheleute Czapara bereits der 19. Sieg der Mieter*innen vor Gericht. Aber was hilft das, wenn das Leben im Haus unerträglich ist und die Verwaltung ihre eigenen Auflagen bezüglich Lärm und Einschränkung der Bauzeiten nicht durchsetzen kann oder will.
In Hinblick auf den im gleichen Verfahren parallel verfolgten Klageantrag der Terrial Stadtentwicklung GmbH auf Duldung der im Juni 2020 angekündigten Baumaßnahmen meldet die Richterin erhebliche Bedenken an, dass die vom Gesetz vorgesehenen formellen Voraussetzungen eingehalten worden sind. Das Verfahren wird aber fortgesetzt.
– Pressemitteilung der Initiative „Wem gehört Moabit?“ (als pdf herunterladen) – Berlin, den 27.4.2021
Zum Hintergrund:
https://moabitonline.de/14047
verschiedene RBB-Beiträge, zuletzt:
https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2020/09/berlin-moabit-calvinstrasse-wohnen-sanierung-mieter-streit-brief-mueller.html
Einerseits freut man sich über solche Nachrichten. Gleichzeitig ist es erschütternd und macht einen wütend, dass hier seit Jahren den Menschen im Haus das Leben zur Hölle gemacht wird. Ich weiß nicht, ob ich das durchgehalten hätte.
… und es ging sofort weiter. Am 4. Mai kamen Bauarbeiter unangekündigt über das Gerüst auf den Balkon, haben die Balkonbrüstung abgerissen und später Metallstreben zur Balkonvergrößerung eingebaut. Was folgte: Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch, Antrag auf eine einstweilige Verfügung wegen „Besitzstörung und Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes“, gestern von der Richterin im Amtsgericht bestätigt.