Milieuschutzgebiete (= soziale Erhaltungsgebiete) gibt es in Mitte eine ganze Reihe, aktuell 12 Gebiete. In Moabit sind das die Milieuschutzgebiete Waldstraße, Birkenstraße und Thomasiusstraße. Um die Bevölkerungsstruktur zu erhalten und Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen, gelten hier besondere Vorschriften. Bauherren müssen vor Modernisierungen zwingend Anträge mit Bauplänen einreichen. Und anfangen zu bauen dürfen sie erst nach einer Genehmigung durch den Milieuschutz. So sollen u. a. Luxusmodernisierungen verhindert werden, aber nicht nur diese. Es gibt keine abschließende Liste, welche Modernisierungsmaßnahmen (z.B. Sanitärobjekte, Böden, Aufzüge, Balkone) oder Grundrissänderungen, Wohnungsteilungen und –zusammenlegungen genehmigungsfähig sind und welche nicht. Entschieden wird im Einzelfall. Und dann spielen auch noch die sog. Verordnungsmieten eine Rolle, so dass die Mieten nach Modernisierung nicht übermäßig steigen dürfen.
Bei der Genehmigungspraxis von Aufzügen lässt sich erkennen, dass in der Regel Aufzüge, die auf der halben Treppe halten und daher keine Barrierefreiheit herstellen, nicht auf die Mieter*innen umgelegt werden können. So wird in einigen Fällen beim Ausbau von Dachgeschossen, der Aufzug auch nur dort halten oder noch bei einer Zwischenstation, wie z.B. in der Oldenburger Straße 38.
Es geht bei diesen milieuschutzrechtlichen Genehmigungen von Modernisierungen aber nicht nur um Modernisierungen eines gesamten Hauses, sondern auch um einzelne Wohnungen. In vielen Häusern modernisieren die Vermieter nur die leeren Wohnungen und das oft ohne überhaupt nach eine milieuschutzrechtliche Genehmigung zu beantragen, wie es z.B. schon 2018 Akelius in der Stendaler Straße 20 gemacht hat. Hier hatte die für Milieuschutz zuständige Abteilung Stadtplanung im Bezirksamt Mitte erst durch die von der Initiative „Wem gehört Moabit?“ übermittelte Vermietungsanzeige, die den Hinweis enthielt „Erstbezug nach Modernisierung“, davon erfahren. Aktuell stellt sich die Frage, warum die Terrial GmbH in der Calvinstraße 21 z.B. Fußbodenheizungen einbauen darf und Balkone vergrößern, ohne überhaupt einen milieuschutzrechtlichen Antrag gestellt zu haben, wie der Berliner Mieterverein in seiner neuesten Ausgabe des MieterMagazins schreibt.
Es ist klar: genau wie bei der Zweckentfremdungsverbotsverordnung ist das Recht ist nur durchzusetzen, wenn es auch verfolgt werden kann. Die Stadtplanungsämter sind natürlich nicht in der Lage durch die Straßen zu laufen und Modernisierungsmaßnahmen aufzuspüren. Deshalb sollten Nachbar*innen oder Mieter*innen das selbst in die Hand nehmen. In der Emdener Straße 2 wurde kürzlich tatsächlich ein Baustopp durch die Bauaufsicht verhängt, nachdem eine Wohnung für zahlungskräftiges Klientel umgebaut wurde mit Wanddurchbrüchen usw. Bei MoabitOnline ist der Fall genauer nachzulesen: https://moabitonline.de/36811.
Also: seid aufmerksam und meldet verdächtige Baumaßnahmen bei den zuständigen Sachbearbeiter*innen des Milieuschutzes oder bei den Mieterberatungen für Milieuschutzgebiete. So kann der schleichenden Verdrängung entgegengewirkt werden.
Wer sich jetzt unsicher ist, ob die eigene Wohnung oder das Nachbarhaus in einem der Moabiter Milieuschutzgebiete liegt findet hier die Karten für die Gebiete Waldstraße, Birkenstraße und Thomasiusstraße (hier Flyer für Mieter*innen).
Meldungen machen wirklich einen Unterschied, das lässt sich u.a. an 2 Anfragen in der BVV zur Emdener Straße 2 erkennen:
Bereits im Herbst wurde in der BVV (MA 3365/V) nachgefragt zu den ungenehmigten Bauarbeiten, Baustopp und Rückbauaufforderung in der Emdener Straße 2.
https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=10918
Eine weitere Anfrage (KA 0014/VI) aus dem Dezember wurde am 19.1.2022 beantwortet. Und diese Antwort hat es in sich. Sie zeigt die Schwierigkeiten beim Durchsetzen der milieuschutzrechtlichen Regelungen. Die Überschrift der Anfrage Emdener Straße 2 – Baumaßnahmen im Milieuschutzgebiet nach dem Grundsatz legal, illegal, scheißegal … zeigt genau, um was es hier geht. Nachträglich wurden Anträge zur Genehmigung gestellt. Bei mehreren Begehungen im August und September 2021 wurden die Baumaßnahmen festgestellt, obwohl nur genehmigt wurde, was keine Grundrissänderungen zur Folge hat. Nachdem eine Abwendungsvereinbarung (des Vorkaufs) unterschrieben worden war, wurde der Zutritt zu der umgebauten Wohnung am 14.10.2021 verweigert. Der Zeitablauf der verschiedenen Anträge und Bescheide ist genau aufgelistet. Der Eigentümer legte Mitte Dezember gegen die Versagung der Baumaßnahmen Widerspruch ein. Das bedeutet, dass die Rückbauanordnung erst den Ausgang des Widerspruchverfahrens und eines möglicherweise folgenden Klageverfahrens abwarten muss.
https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=3733