Das Beispiel Dortmunder Straße 14
Vor einigen Tagen wies eine Pressemitteilung der Linken-Fraktion in der BVV-Mitte darauf hin, dass in unserem Bezirk in großem Stil abgerissen wird, um Platz für Neubau oder andere Nutzungen zu schaffen.
Bei der Dortmunder Straße 14 sind die Bagger bereits angerollt und gestern am 14. Februar hat der Abriss begonnen. Viele Anwohner*innen blieben stehen, beobachteten, filmten, fotografierten und bedauerten mehrheitlich die Vernichtung von günstigen Wohnungen.
Es handelt sich um ein Haus aus den 1960er Jahren im Westfälischen Viertel, einem Teil von Moabit, das schon seit vielen Jahren gentrifiziert wird – und zwar in einem Ausmaß, dass das Bezirksamt nach dem Grobscreening 2015 nicht einmal eine soziale Erhaltungssatzung aufstellen konnte, weil nur noch für wenige Häuser Aufwertungspotential festgestellt wurde.
Die Entmietung der Dortmunder Straße 14 ging fast sang- und klanglos über die Bühne, obwohl eine Mieterin bereits bei einem Infostand der Initiative „Wem gehört Moabit?“ am 29. März 2014 (!) berichtet hatte, dass das Haus vernachlässigt werde, nur noch 6 Mietparteien mit regulären Mietverträgen dort zu günstigen Mieten wohnten und alle anderen mit teuren Zweijahresverträgen abgespeist werden. Die letzte Mietpartei ist wohl 2018 verdrängt worden.
Immer wieder haben Nachbar*innen den Leerstand gemeldet. Danach scheint hinter den Kulissen ein Tauziehen um die Regelungen des Zweckentfremdungsverbotsgesetz, nach dem Leerstand und Abriss illegal sind, stattgefunden zu haben. Kurze Zeit hing ein Plakat am Haus, das einen Neubau mit 17 Eigentumswohnungen ankündigte, es gab Lichtinstallationen hinter den Fenstern, etwa ab Oktober 2020 wurden schließlich Bauarbeiter einquartiert. Die Mieterinitiative aus dem Bundesratufer 12, deren Wohnungen nach dem Verkauf an Accentro als Eigentumswohnungen verkauft werden, die meisten sind bereits verkauft, hat den Leerstand in der Dortmunder auf twitter dokumentiert.
Es ist davon auszugehen, dass das Haus mehrmals verkauft wurde. Nun soll hier ein Luxusneubau mit Eigentumswohnungen als „Ersatzwohnraum“ – nicht das Projekt, das vor Jahren hier angekündigt wurde – sondern „The Flaneur“ von Nöfer Architekten entstehen. Eine als Beispiel angegebene 2-Zimmer-Wohnung mit ca. 48 qm kostet 510.000 Euro. Das geht als Ersatzwohnraum durch? Wie ist das möglich?
Im Zweckentfremdungsverbotsgesetz ist festgelegt, dass Ersatzwohnraum zu maximal 7,92 Euro/qm vermietet werden darf. Das gilt auch noch in diesem Fall, doch ist zu erwarten, dass die Mietobergrenze keinen Bestand hat. Seit Jahren wartet man auf die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht zu einem Fall in Charlottenburg, den das dortige Bezirksamt in erster Instanz verloren hatte. Für den Abriss muss pro Quadratmeter 2.400 Euro Ablösesumme bezahlt werden (Regelung im Amtsblatt von 2019). Aber wem helfen diese knapp 2 Mio Euro bei der Wohnungssuche?
Vor kurzem haben verschiedene Bezirksverordnete Anfragen zum Umgang der Entscheidungsträger mit diesem Haus eingereicht, die auch beantwortet wurden (Mündliche Anfrage der Grünen, schriftliche Anfragen von SPD und Linken, hier bitte auf Antwort klicken, denn das pdf kann nicht direkt verlinkt werden).
Interessant ist in der letzten Anfrage, insbesondere die Antwort auf die Frage 5: „Wann und unter welchen Auflagen wurde eine Abrissgenehmigung für das Wohngebäude Dortmunder Straße 14 erteilt? (Bitte Auflagen konkret darstellen)“ und hier wieder Punkt 5: „Der Ersatzwohnraum muss die gezogene obere Grenze einer Überschreitung des Standards des abgerissenen Wohnraums einhalten.“ Wir sind gespannt, wie das genau definiert ist. Auf jeden Fall hat das Bezirksamt den Ersatzwohnraum als angemessen akzeptiert und so konnte der bereits im April 2021 genehmigte Abriss durchgeführt werden. Die Baugenehmigung war schon im Januar 2019 erteilt worden.
So wird Wohnungsnot produziert in dem Segment des Wohnungsmarktes, in dem die meisten Wohnungen nachgefragt werden, nämlich bezahlbar. Was dann dazu führt, dass bei Neuvermietung Mietpreise weit über dem Mietspiegel aufgerufen werden. Der Abriss von bezahlbarem Wohnraum mit einfacher Ausstattung bleibt ein Skandal!
Zuerst erschienen bei MoabitOnline – bitte dort kommentieren!
Nachtrag:
Das MieterMagazin hat im April 2022 berichtet auf Seite 7 (leider nicht im Inhaltsverzeichnis zu finden, um direkt zu verlinken).
MieterMagazin im Oktober 2023 mit Zitaten aus der Werbung und Architekt Tobias Nöfer: Vom Abriss zum „finest living„.
Projektentwickler: JAAS